„Naturphilosophische Sicht auf den Frühling“ ein Gastbeitrag von Paul Friesenbichler MA
Wenn nach der langen Zeit des dunklen Winters, der erste venerische Frühlingsregen jene verborgene Lebendigkeit fruchtbarer Erde wieder sanft aus ihrem Winterschlaf erweckt und die aufkeimende Frühlingswärme gleichermaßen Mensch und Natur erquickt, so beginnen im aufkeimenden Frühlingsgeschehen aus innerstem Quell wieder jene jovial erneuernden Kräfte durch die Adern unserer 5-elementaren Natur zu fließen, welche es vermögen, die Kälte und Starrheit des vergangenen Winters zu überwinden und dem Leben wieder mächtig zu neuem Werden zu verhelfen. Jene Zeit des Frühlingserwachens erlebt der Mensch in Zeiten von Kultur als initiatisch, will selbst in neue (heilsame) Bewegung kommen und aus eigener hervorsprießender Erinnerung an das große Ganze im Einklang mit der Natur jenen Fluss erneuernder Kräfte mitgestalten und kundig zusammenwirken.
Daher ist, wie Paracelsus es einst betonte, eben auch ein jeder ein Künstler, welcher „den rechten Umgang mit den Dingen der Natur“ zu pflegen versteht, um zum alleinigen Wohle von Mensch und Natur zu wirken, wie es auch der kundige Ackermann macht, der in der Schule und im Lichte der Natur gelernt hat. Er versteht es der im Saatgut schlummernden Idee einer Pflanze zur freien Entfaltung ihres lebendigen Wesens bestmöglich zu verhelfen und geht hierfür täglich auf’s Feld, damit diese ohne jede Korruption als wertvolles Lebensmittel eben jene Kräfte des Lebens und der Lebendigkeit zu erhalten und zu erneuern vermag, alsbald sie zu wohlschmeckenden Speise veredelt und dem Menschen zum Genuss und Erlebnis heilsamer Vielfalt dargereicht wird.
Aus der Grundhaltung natürlicher Achtsamkeit heraus, versteht es sich daher für jenen Menschen, welcher – wie Paracelsus sagt – nicht „aus der Natur gefallen“ ist, von selbst, dass er die Grundlage seiner Gesunderhaltung nur einem aufrichtig kundigen Bio-Bauern anvertraut, im Wissen, dass in diesem Gemüse und Früchten auch jene Lebendigkeit drin‘ ist, die er selbst für sein gesundes und vitales Leben braucht. Denn die lebendige Nahrung ist die erste Medizin des Menschen und „wo nichts drin‘ ist, daraus kann auch nichts Wesentliches gewonnen werden“. Dies betonte Paracelsus insbesondere im Hinblick auf die damit verbundene achtsame (Geschmacks-)Wahrnehmung und das Erdelement des Menschen, welches in direkter Verbindung mit der Qualität und Vitalität unseres sogenannten Immunsystems steht, um sich diesbezüglich nur ja nicht blenden und täuschen zu lassen und sich hernach vielleicht tief bestürzt über selbstverursachte Degeneration und Krankheit wiederzufinden. Also ist der aufrichtige Bio-Bauer, welcher mit und in der Natur lebt, für all jene Menschen die den Weg zu ihm finden, mit seiner Ethik, Lebensausrichtung und seinen lebendigen Erzeugnissen die wesentliche Grundlage für das potentiell gesunde Leben derjenigen Menschen die sich ihm im Sinne ihrer gesunden Ernährung anvertrauen.
Jene Herzensbildung im Sinne achtsamer Wahrnehmung und gelebter Tugenden, waren es auch, welche zu jeder Zeit in den Kulturen von Ost und West über viele Generationen hinweg das zeitlose Menschheitswissen über die Zusammenhänge in Mensch und Natur bewahrt haben, damit das überlieferte Wissen der Signaturenlehre und Naturphilosophie in Verbindung mit der Verwendung sowie traditionell kunstvollen Veredelung von Wildkräutern und Heilpflanzen zu entsprechend hilfreichen Präparaten nicht verloren ging.
Im Frühling waren und sind daher unter anderem diverse frische Gemüse-Presssäfte aus süßlich-erdigen Karotten (4 Teile), etwas roter Rübe (1 Teil), einigen Bund grünen Kräutern wie Petersilie oder auch Koriandergrün (2-3 Bund) und etwas Zitronensaft, sehr geschätzt, welche sich stärkend, nährend als auch reinigend und entgiftend auf das Blut und die verschiedenen Gewebe hinsichtlich Übersäuerung, Stoffwechselvergiftung usw. auswirken. Ebenso geschätzte Frühlingskuren bieten sich alternativ zu den Gemüse- Presssäften mit etwas Apfelessig oder Zitronensaft in einem 1/4L Glas frischen Quellwassers zur weiteren Entschlackung und Reinigung von Gewebe und Blut früh morgens getrunken an, was schließlich das Hauptziel vieler sinnhafter Bemühungen im beginnenden Frühling ist. So wie das Aufkeimen der Frühlingskräfte augenscheinlich die pure Lebenskraft signiert, finden sich diese aufrichtenden Kräfte auch in diversen Keimlingen, Sprossen sowie dem jungen Grün zarter Blätter von Buchen und anderen Bäumen, welche sehr gerne gesammelt und vielfältig zubereitet werden, um diese besondere Frische aufkeimender Lebendigkeit für die eigene Kräftigung nach dem langen zehrenden Winter direkt aus der Natur gesammelt zu nutzen.
Anfang März schätzte man seit jeher auf dem Weg durch den (eigenen) Wald, wenn die Säfte der Bäume nach der Zurückgezogenheit des Winters in den Wurzelbereich wieder in die Baumkronen zur Erneuerung ihrer Kräfte emporsteigen, den zu dieser Zeit oft gerne gesammelten und schluckweise früh morgens getrunkenen Birkensaft zur besonderen Erfrischung der eigenen Kräfte und zur Reinigung des Geblüts. Gesammelt wird dieser am besten mittels kleiner Fläschchen, welche mit Gummikappe an das Ende angeschnittener etwa zweijährige Zweiglein gebundene werden. Somit wird die Rinde des Stammes und damit der Baum selbst in keinster Art und Weise verletzt oder geschädigt und kann man sich Jahr für Jahr an etwas Birkensaft zur rechten Zeit erfreuen.
Eine ganz besondere Heilpflanze, welche dem Menschen förmlich zu seinem Haus und Hof hinzuwächst, ist die Brennessel, welche im Abendland bis heute als mächtige Heilpflanze unvergesslich ist, hilft sie doch als hervorragend schmeckender Brennesselspinat aus jungen Brennesseln zubereitet, zu knusprigen Brennesselblätter-Chips frittiert, als kräftiger Tee ausgekocht oder im höchsten Grad zur spagyrischen Essenz oder Quintessenz in authentisch paracelsischer Handwerkskunst veredelt, jeweils dem Menschen in vielfältiger Art und Weise besonders hilfreich zur Erinnerung an das Wesentliche und seinen eigenen Ideenhintergrund, denn das ist ihre Tugend, Kraft und Idee, welche sie dem Menschen vermittelt, egal in welcher Weise er sie gebraucht. Damit erlebt er die Brennessel als eine Art Verjüngungsmittel, nicht nur weil sie sein Blut erfrischt und die Gewebe von alten Schlacken säubert, sondern weil sie dem Menschen ebenso hilft in Geist und Gemüt gewisse Irrungen zu korrigieren und sein Leben zielstrebig, aktiv und dem eigenen authentischen Wesenshintergrund nach, initiatisch in neuem Fluss zu gestalten.
Der zur gleichen Zeit im Frühling sich allerorts in reichhaltiger Fülle manifestierende Löwenzahn seinerseits verhilft in diesem Ideenfeld als weitere besondere Heilpflanze unseres Abendlandes, dem Menschen mit majestätisch großzügigem Sanftmut zur Reinigung der Leber als Organ des Himmels in seinem Körper. Er öffnet gleichsam den jovialen Raum für das neue Werden nach den Entbehrungen des langen Winters und vermittelt, dass das Lebendige stets Begrenzungen, Hindernisse, Enge, Starrheit, Spannungen, Ärger und Depression sowie Resignation und Mangel aller Art überwindet. Damit verhilft er zu Weitblick, Veränderungsbereitschaft, guter starker Willenskraft, sorgt für
Durchgängigkeit und fördert insgesamt den geschmeidigen Fluss aller Dinge in Leib und Leben. Der Löwenzahn stellt in Verbindung mit der unvergesslichen Brennessel und der Rose als weitere universale Heilpflanze unserer Tradition eine besondere Dreiheit mächtiger Heilpflanzen dar, welche die Menschen zu jeder Zeit in vielfältiger Art und Weise gerne als besondere Hilfe und Geschenke der Natur genutzt haben, um ihre Kräfte im Frühling in guten Fluss zu bringen und Krankheiten vorzubeugen.
Auch Kinder begeistern sich im Frühling so intuitiv wie selbstverständlich für die freundlichen, ihnen ganz besonders zugewandten Frühlingsboten der Gänseblümchen, welche nicht nur im Spiel auf den Frühlingswiesen insbesondere viel Freude und Spaß vermitteln, sondern auch in den Frühlingsspeisen die besondere Kraft der ihnen in’s Wesen signierten Leichtigkeit erleben lassen, wenn man die Speisen damit verfeinert und garniert. Dazu passend seien auch die Schlüsselblumen als ebenso markante Frühlingsboten mit ihren zarten gelben Blüten in Erinnerung gerufen, vermögen diese doch unter anderem als Tee für den Abend zubereitet auf sanfte Art und Weise den angenehmen Schlaf sowie die allgemeine innere Ruhe zu fördern und Kindern sowie Erwachsenen gleichermaßen beim besseren Einschlafen zu helfen. Und Vieles mehr gebe es zu erwähnen…
Die lebendige Natur hält also in großer Vielfalt, vom Frühling weg über das ganze Jahr viele verborgene Schätze für den Menschen bereit, welche unsere Kultur aus authentischer Überlieferung bereichern und liegt es an jedem selbst, sich bei Interesse auf eine Reise in und durch die Natur zu begeben, diese zu ergründen und sich der Kompetenz jenes Naturwissens zu befähigen. Für diese Möglichkeiten der traditionellen Lehre in unserer abendländischen Schule der Natur stellt unsere „paracelsische Tradition“ einen Anknüpfungspunkt über den Weg der etablierten „traditionellen europäischen Medizin“ (TEM Fachverein) dar und lädt hiermit herzlich gerne zum vertiefenden Eintauchen und privaten Studium der faszinierenden Welt der Heilpflanzen, Signaturenkunde und Naturphilosophie aus zeitloser Überlieferung jenes Menschheitswissens der Zukunft zur ganzheitlichen präventiven Gesundheitspflege ein. Wir wünschen Ihnen mit diesen Zeilen einen wunderbaren Frühling sowie herzhaften Genuss der Schätze der Natur – kommen sie gut und gesund in den Frühling!
Paul Friesenbichler MA, 24.03.2025

Paul Friesenbichler MA ist als Naturkundiger, Künstler, Musiker sowie Experte und Dozent an der Akademie für traditionelle europäische Medizin (TEM) tätig. Mit Schwerpunkten in Hermetik, Spagyrik und der Kunst der Alchymie hat er sich auf die ganzheitliche Beratung und Betreuung von Einzelpersonen, Institutionen und Unternehmen spezialisiert. Die individuelle Förderung nachhaltiger Gesundheit und persönlicher Entwicklung im Einklang mit den natürlichen Kräften in Mensch, Natur und Umwelt stehen dabei im Zentrum. Als Vorstandsmitglied des TEM-Fachvereins sowie Kooperationspartner der Saint Charles Apotheke setzt er sich für die Bewahrung und Förderung der paracelsischen Tradition in Österreich ein. Zudem pflegt er den wissenschaftlichen Dialog im intertraditionalen Austausch mit anderen traditionellen Heilkunstsystemen weltweit.